Leithengst gegen Latte

Ich liebe meinen Latte Macchiato. Vor allem Samstag früh nach dem Training. Den Milchschaum langsam auf der Zunge zergehen lassen, herrlich. Aber letztens wurde mein Latte zum Lebensretter, vor einem Leithengst.  

Dabei war das Grundproblem ja ganz simpel. Männer fragen nicht nach dem Weg! Ich spreche aus Erfahrung: In Marseille. Er am Steuer. Kein Plan vom Weg; natürlich. Aber! Bevor Mann jemanden fragt, fährt er lieber drei, viermal im Kreis herum, um dann in einer Gegend zu landen, wo man besser die Türen von innen verriegelt. Zum Glück ist das Ganze so lange her, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, ob wir jemals unser angepeiltes Ziel erreicht haben. Nach Hause gekommen sind wir jedenfalls wieder, ist ja auch schon etwas.


Aber es geht auch anders. Damals in Australien. Irgendwo im Nirgendwo. Und natürlich kein Plan vom Weg. Was macht man in dem Fall. Natürlich, man bleibt stehen und fragt nach dem Weg. Zumindest in dem Fall, weil ich am Steuer sitze. Die Antwort des gefragten Pärchens, ist ein halber Stadtplan, den er großzügig auf ein Stück Papier zeichnet. Ich frage mich immer noch, ob er auch einen Plan gezeichnet hätte, wenn meine bessere Hälfte gefahren wäre. Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass da ein wenig Mitleid mit meiner besseren Hälfte und eine gewichtige Portion, sicher ist sicher, bei Frau am Steuer, mit dabei war.


Frauen bevorzugt

Jedoch Vorsicht: es gibt eine Steigerung. Ja, kaum zu glauben ich weiß. Aber es ist immer wieder das gleiche – eine einzige Katastrophe. Dabei könnte es so einfach sein und nein es liegt definitiv nicht an mir. Es liegt an den Männern. Mit einer Frau hatte ich noch nie ein derartiges Problem. Schon einmal einen Mann nach dem Weg gefragt – ich schon, angekommen bin ich mit der erhaltenen Beschreibung noch nie. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Beschreibungen so kompliziert sind, dass ich spätestens nach dem dritten Satz nicht mehr zuhöre. Vorsicht: Nachfragen ist nicht empfehlenswert. Meine bessere Hälfte und auch andere Männer sind nämlich so „nett“ mit der Beschreibung wieder von vorne anzufangen. Dann allerdings mit anderen Worten und, wie mir häufig vorkommt, auch mit einem vollkommen anderen Weg. Wegbeschreibung 1 vermischt sich dann in meinen Gehirnzellen charmant mit Wegbeschreibung Nummer 2.

Die Folge: den Anfang des Weges finde ich, danach wird es, ob der Kompliziertheit verwirrend, wodurch eine kleine Irrfahrt eingeläutet wird, die, ob der fehlenden Endbeschreibung (bei Wegbeschreibung Nr. 2 schalte ich erfahrungsgemäß auch irgendwann auf Durchzug) im Nirgendwo endet.



2 Paar Schuhe gegen eine Wegbeschreibung

Umgekehrt besteht übrigens das gleiche Problem. Meine bessere Hälfte verzweifelt an meinen perfekten Wegbeschreibungen; für mich unverständlich. Und ich bin mir sicher es liegt nur an ihm. Denn, dass meine Wegbeschreibungen nicht ganz so falsch sein können, habe ich letztens wieder bestätigt bekommen.

Ich habe mich mit einem Oberösterreicher zum Kaffee getroffen. Seine Ortskenntnis gleich null. Meine Wegbeschreibung – sensationell! Nein ich will jetzt wirklich nicht angeben, aber er hat sofort hingefunden, zumindest hat er nichts anderes gesagt. Wobei, da fällt mir auf, er hat gar nichts zu seiner Anfahrt gesagt. Aber, meine Wegbeschreibung muss gepasst haben, auf jeden Fall! Denn er war vor mir dort. Und das wäre bei einem Mann ohne der perfekten Wegbeschreibung nicht möglich gewesen, denn – siehe oben – Männer fragen nicht nach dem Weg. Und nein, ich habe nicht ewig zu dem Treffen gebraucht, ich hab mich nicht fünfmal umgezogen und nur zwei verschiedene Schuhe probiert – folglich hatte er auch keine Zeit, lange nach dem Weg zu suchen. Was den Umkehrschluss erlaubt, dass meine Wegbeschreibung sensationell war. Und daraus schließe ich ganz einfach, dass meine bessere Hälfte und all die anderen Männer, die sich mit meinen Wegbeschreibungen permanent verfahren, nicht richtig zuhören – typisch Mann halt.



Verschanzt hinter einem Cafe Latte

Vor kurzem habe ich übrigens nachgefragt. Früh morgens am Samstag. Nach dem Training. Beim Frühstück. Fünf Mädels und ein Mann. Ich wollte diese Überlegenheitsstellung ausnutzen, um endlich eine Antwort auf die Fragen der Fragen zu erhalten. Immerhin hat mich diese Tatsache schon etliche Male auf die Palme gebracht und in Gedanken habe ich dabei schon unzählige Male meine Scheidungspapiere ausgefüllt. Ich also vorgeprescht. Gut verschanzt zwischen meinem Latte Macchiato und meiner Tasse heißem Wasser, man weiß ja nie wie ein Mann auf so eine Frage reagiert. Jedenfalls frage ich die Frage aller Fragen: „Wieso fragt ihr Männer nie nach dem Weg?“ Zehn Augen bohren sich Sekundenbruchteile später in ein männliches Wesen, das nicht wie erwartet ob der Frage aller Fragen unter dem Tisch verschwindet. Nein! Ganz im Gegenteil!


Der Angriff des Leithengstes

Er wächst mindestens um zehn Zentimeter (vielleicht waren es sogar elf), um uns dann in einem Brustton der Überzeugung einen einzigen Satz über den Frühstückstisch entgegen zu schmettern. Wie gut, dass mein Latte und die Tasse heißes Wasser vor mir standen. Was er antwortete? Steinzeitweisheit sag ich nur, jetzt weiß ich es, die Männer sind dort in der Steinzeit steckengeblieben, oder wie würdet ihr das bewerten: „Ein Leithengst kann doch nicht nach dem Weg fragen, wie sieht das denn aus!“ Als er wieder auf sein Normalmaß geschrumpft war, oder war ich ob dieser Offenbarung im Sessel tiefer gerutscht, grinste er, als ob er uns Frauen das Geheimnis aller Geheimnisse anvertraut hätte und biss genüsslich in sein Brot.


Die Aussicht auf eine Änderung der Verhaltensweisen von euch Männern habe ich damit jedenfalls ad acta gelegt ;)


 

 

Texte werden erst lebendig, wenn sie gelesen werden. In diesem Sinne: Danke für´s Teilen ;)

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Kommentare: 9
  • #1

    Daniel (Dienstag, 19 Mai 2015 20:40)

    ganz so schlimm ist es nicht. Kennst nur die falschen Männer.

  • #2

    Edgar Wiefel (Dienstag, 19 Mai 2015 22:06)

    Es gibt Hoffnung liebe Damen, nach 2 Millionen Jahren Evolutionsresistenz bei diesem Thema lässt sich der moderne Mann, nun seit ca. 10 Jahren mit immer größerer Akzeptanz, von einer Frauen den Weg einsagen. Navigationsgeräte sind wahrscheinlich deswegen so beliebt, weil der Leithengst nicht nach dem Weg "fragen" muss, und weil fast alle Männer glauben, daß die Frauenstimme im Navi von einem Mann programiert ist dem sie vertrauen können :-)

  • #3

    Christian Beckmann (Dienstag, 19 Mai 2015 23:00)

    Also bei mir fahren immer gleich mehrere Frauen (pro Landessprache eine!) mit, aber den Weg sagen sie mir höchstens, wenn ich sie lasse. Und ob ich dann immer darauf höre!? Naja... Wenn sie nerven, stell ich sie wieder ab :)

    Aber zum Glück habe ich da einen sehr guten Orientierungssinn und finde fast überall wieder alleine hin, wo ich schon mal gewesen bin. Und die Latte Macchiato trinke ich Zweifel auch selber :D

  • #4

    Adriane (Dienstag, 19 Mai 2015 23:05)

    Daniel ich lass mich gerne eines besseren belehren, aber ich glaub ich bin da nicht die einzige Frau mit den Erfahrungen ;)

  • #5

    Adriane (Dienstag, 19 Mai 2015 23:10)

    Sag ich es doch Christian Beckmann, ihr hört einfach nicht auf uns ;) Und das "FAST" bei deinem "finde fast überall wieder alleine hin" bringt mich fast zum Schmunzeln ;)

  • #6

    Adriane (Dienstag, 19 Mai 2015 23:12)

    Edgar es gibt nur ein Problem bei den Navigationsgeräten, ihr Männer hört nicht darauf - macht ja sicher auch kein Leithengst ;) und programmiert sind sie sicher von einem Mann, ansonsten würden nicht immer wieder Autofahrer (die ausnahmsweise mal doch darauf hören) mit Naiv im Nirgendwo landen ;)

  • #7

    Christian Nerat (Mittwoch, 20 Mai 2015 15:22)

    Wieso sollten wir Männer auf das Navigationsgerät hören ;-) liebe Adriane, ist ja ständig eine Frauenstimme zu hören und die verführt uns dazu, so wie damals im Garten Eden, den falschen Weg zu nehmen. ;-) Brauch nur an meinen letzten Kroatienurlaub denken. Hätt ich bloss auf meinen Bauch gehört. ;-) und dabei ist nicht der Hunger gemeint :-)
    Ansonsten wieder so geschrieben das ich wirklich schmunzeln musste. Super!!!!!!

  • #8

    Silvia (Freitag, 22 Mai 2015 08:23)

    Adriane ich hab mich kaputtgelacht einfach super wie du das alles beschreibst ;-)

  • #9

    Adriane (Samstag, 30 Mai 2015 21:51)

    Danke dir Silvia!