Einfach teuflisch

 

 

 

 

 

 

Eine etwas andere Lebensphilosophie Kaffee & Kardamom

 

 


 

Es ist voller geworden seit meinem letzten Besuch. Hanspeter Teufel hatte mich vorgewarnt. Aber ansonsten, alles gleich liebevoll verrückt. Wie vor fünf Jahren schwebt das Klavier noch immer an einer Konstruktion quer in dem viel zu kleinen Raum. Er hat den Flügel 1989 gekauft, als er in die Wohnung zog. Vorher ausmessen, ob er zu groß ist? Nein. Wieso? Natürlich war er zu groß. Jetzt steht er eben auf einer Stahlträgerkonstruktion und schwebt von der Seite her in den Raum. Darunter ist Platz für ein Podest.

Die, wie er selbst sagt, archaische Küche ist noch genauso voll, klein und gemütlich. Wir sitzen am Küchentisch. Selbst gemacht. Die Holzplatte aus einer alten Säge in Morsbach. Zwei fünf Meter Platten aus Eiche. Die Arbeitsplatte ist auch daraus entstanden. Über unseren Köpfen baumeln Küchenutensilien an einer Aufhängevorrichtung, die unmöglich zu beschreiben ist. Selbstgemacht. Vom System – kleine Leitern ineinander verschachtelt. Ich bin nicht wegen der Wohnung hier, sondern wegen ihm. Aber irgendwie ist seine Wohnung wie er – anders. Ob ich einen Kaffee will, fragt er und holt gleich einmal die Kaffeebohnen heraus. Dazu eine dieser kleinen italienischen Espressomaschinen. Auch der Kaffee wird anders.


Wenn der Mangel anspornt

Hanspeter fällt auf. Optisch und durch seine Ausstrahlung. Die idealen Voraussetzungen für das Theater. Eine Leidenschaft von ihm, aber sein Leben ist die Musik. Diesen Herbst soll beides aufeinander treffen; „Der Kontrabass“. Er wagt sich mit seinem Theaterfreund Stefan Bric als Regisseur an das Solostück von Patrick Süskind. „Da steht er“, meint Hanspeter unvermittelt, lässt die Kaffeebohnen wieder stehen und geht die zwei Schritte von der Küche in den Raum mit dem schwebenden Klavier. Auf dem Podest unter dem Klavier, steht ein Kontrabass. Bis zum Herbst sollte er Kontrabass spielen lernen – zumindest ein paar Stücke muss er für die Rolle anspielen können. Der eher leichtere Teil der Rolle. Seine Herausforderung: Text lernen. „Eine Tortur. Otto Schenk hat einmal gesagt, dass das Textlernen die Hölle ist. Der spricht mir aus der Seele, aber was nützt mir das. Ich habe eben in meiner Ausstattung einen Mangel.“ Ein verschmitztes Grinsen und dann geht es wieder in die selbstgebaute Küche.

Notenlesen ist auch so ein „Mangel“. Als Kind genügt es ihm ein Stück einmal zu hören, um es nachzuspielen. Dass er am Notenblatt vorbei schaut und die Noten gar nicht richtig lesen kann, merkt niemand. Problematisch wird das erst, als er sich mit 40 selbst das Klavierspielen beibringt. „Die Werke von J.S.Bach sind einfach zu komplex. Da war mit reinem Anhören und Nachspielen irgendwann Schluss. Es dauert halt etwas länger. Ich lese die Noten wie ein Sonderschüler.“ Aber das hält ihn nicht auf.

 


 „Das Theaterspielen hat mich den Null auf Hundert Faktor gelehrt – du gehst auf die Bühne und bist voll da – ohne lange warmzulaufen.“



Harte Theaterschule

Die Kaffeebohnen prasseln in die kleine Mühle. Jetzt wird es laut, meint er noch und verschwindet im Badezimmer. Durch die geschlossene Türe, ist das Mahlen der Bohnen zu hören. Bei ihm ist Kaffeekochen eine Kunst, da wird nicht einfach ein Knöpfchen gedrückt. Ähnlich verläuft sein Leben. Nichts ist simpel und doch greift eines harmonisch in das andere. Zum Theaterspielen kommt der Musiker wie die Jungfrau zum Kind. Dem Wörgler Theaterliebhaber Michael Zangerl fehlt 1989 ein Schauspieler im Stück „Zwölfeläuten“. Hanspeter Teufels Einstieg ins Theater. Ein harter. Wortfindungsstörungen, Identifikationssyndrom, die ganze Palette. „Auf der Bühne konnte ich keine zusammenhängenden Sätze abwickeln, so nervös war ich und zu Hause konnte ich meine Rolle nicht mehr ablegen – nicht so gut, wenn man einen Nazi spielt. Aber es hat sich entwickelt.“

Seit 2009 ist er aktives Mitglied beim Kufsteiner Stadttheater. Über zehn Jahre spielt er auch in Rattenberg bei den Schlossbergspielen. Bis zum vergangenen Herbst. Seiner Musik zuliebe hat er dort erst einmal eine Pause eingelegt. Und wegen seiner Familie. Er ist ein Familienmensch - durch und durch. Für seine Lieben lässt er sogar die Musik links liegen, wie jetzt, wo er ein Zirbenholzbett für seine Freundin und seine jüngste Tochter zimmert.



Lebensphilosophie - Kaffee & Kardamom – Teil 1

Hanspeter steht immer noch bei seiner Küchenplatte und macht Kaffee – seit einer halben Stunde. Zugegeben mit Unterbrechung, da er jede Handlung während dem Erzählen unterbricht. Gerade hat er eine Kardamomkapsel in der Hand. „Reicht das mit dem Interview, denn ich will jetzt Kaffee machen“, kommt es mit einem frechen Lausbubenlachen in meine Richtung. Bevor er die Kardamomkapsel zwischen seinen Fingern zerbröselt und lachend weitererzählt. „Ich erzähle das alles mit einer gewissen Emotionalität, da kann ich nicht gleichzeitig Kaffee machen.“ Denn auch der wird mit Emotion und zu 100 Prozent gemacht, wie alles, was er anfasst. Etwa bei der Sachertorte. Damals in Berlin. Sie sind dort zum Theaterspielen. Der Regisseur hat Geburtstag und liebt Sachertorte. Was liegt also näher als eine – echte wohlgemerkt - zu besorgen. Dass er dafür um vier Uhr früh aufsteht, um vier Stunden lang mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Gegend zu fahren. Normal; zumindest für ihn. Dass die Torte dann im Hotelkühlschrank vergessen wird, nicht ganz so normal. Seine Reaktion: „Ich hab mich gar nicht lange geärgert, was soll´s. Ich habe dem Hotelpersonal am Telefon gesagt, dass sie sich die Torte schmecken lassen sollen.“ In Innsbruck besorgt er einfach eine neue Sachertorte und hackt das als Sketch des Lebens ab. „Wie man es sich macht, bleibt es lustig. Hindernisse machen dir das Leben nicht schwer, es macht die Sichtweise aus – das macht es zur Anekdote.“


„Ich weiß, was ich will – aber ich warte bis es zu mir kommt.“



Lebensphilosophie – Kaffee & Kardamom – Teil 2

Aus einem Krug mit Steinen füllt er Wasser in den unteren Teil der Espressomaschine. „Im Winter tue ich mich etwas schwer mit dem Wasser, da muss ich das nehmen. Aber jetzt hole ich es dann wieder direkt bei einer Quelle.“ Mit Mineralwasserkisten ist er dann unterwegs zu einer Quelle an der Eibergstrasse. „Der Unterschied zum Leitungswasser ist groß – es ist zwar etwas Arbeit, das Wasser zu holen, aber es zahlt sich aus.“ 55 Minuten sind vergangen, Die Espressomaschine steht endlich auf dem Herd. Quellwasser, Kardamom im Kaffee – „das ist halt mein Standard.“ Ein hoher Standard, den er sich auch bei seinen Projekten abverlangt. Ein hoher Standard, der für ihn im Laufe der Zeit „normal“ wurde. So organisiert er sich extra zwei Kirchenorgelmanuale, um zu Hause Orgel spielen zu üben, nachdem er in der Wörgler Kirche eine Zeit lang nicht mehr proben darf. Drei bis viermal die Woche hatte er dort geübt. Immer Vollgas. Bis sie ihn entfernt haben, weil das doch ein Ort der Andacht ist. „Ich war ihnen nicht böse. Ich hab das schon verstanden.“ Und dann kommt so ganz nebenbei ein Nachsatz, der sein Leben prägt: „Ich weiß was ich will. Und ich werde schon irgendwann dazu kommen, denn es kommt alles zu mir.“ So wie die Wörgler Kirchenorgel. Seit kurzem hat er wieder die Erlaubnis, dort zu üben. Selbst gefragt hat er nicht danach. Die Krönung wäre allerdings, die Heldenorgel zum Klingen zu bringen. „Aber die kommt schon noch zu mir!“


Defizit Mann

Kardamomduft vermischt sich mit Kaffeearoma. Hanspeter gießt den dampfenden Kaffee in die Tassen. Etwas mehr als eine Stunde ist vergangen. Eine Stunde Lebensweisheiten versteckt in Erzählungen. Zum Kaffee serviert er die nächste. „Ich habe vor zehn, fünfzehn Jahren einen Satz geprägt, der ist für mich schon legendär. Wenn mich manchmal der Frust einholt.“ Er lehnt sich zurück in seinem selbstgemachten Sessel. Original Holzgestell. Sitz- und Lehnfläche bestehen aus gedrehten Stoffresten. „Wenn dir das enge Tal nichts gibt, dann musst DU ihm halt etwas geben. Es ist ein wenig anders bei uns, es ist herausfordernder. Und das macht es aus.“

Eine Stunde später verabschiedet er mich mit einer letzten Lebensweisheit. „Ich hab das meiste von Frauen gelernt – nur so als Nebenbemerkung. Männer geben da nicht so viel her, die sind oft zu eindimensional. Frauen ticken da ganz anders – ich hab das mit Schmerzen lernen dürfen.“ 

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Kommentare: 2
  • #1

    Teufel Hanspeter (Donnerstag, 07 Mai 2015 08:20)

    Herzlichen Dank liebe Adriane!

  • #2

    Adriane Gamper (Donnerstag, 07 Mai 2015 22:14)

    Hanspeter es war mir ein Vergnügen, danke dir!