LEIDENSCHAFT IN TANNENGRÜN

 

 

Wenn der Jäger eine Frau ist


Braune Lederhose, Jagdstock, Lederarmband, Gewehr - als Leidenschaft und ganz und gar nicht als Hobby bezeichnet Sabine Gwirl ihr Jägerinnendasein. Keine leichte Leidenschaft zwischen all den männlichen Jägern. Aber sie hat ihren eigenen Weg gefunden. Überraschende Ein- und Aussichten hoch über Kufstein.



Sabine Gwirl ist stolz auf das, was sie tut. Stolz eine Jägerin zu sein, mit allem was dazu gehört. Vom Füttern bis hin zum Aufbrechen. Die Leidenschaft für die Jagd, ist der Wahlkufsteinerin dabei in die Wiege gelegt worden. Vater, Onkel, Bruder, alles Jäger. Jahrelang geht sie mit, beobachtet die Natur. „Es ist zu jeder Jahreszeit schön. Im Winter, wenn du zu den Fütterungen stapfst, im Frühling beim Beobachten der Jungtiere. Jägern ist nicht nur Jagd. Das klingt vielleicht abgedroschen, aber es ist die Wahrheit.“ Als sie sich entschließt selbst Jägernin zu werden erzählt sie ihrem Vater vorerst nichts. Erst, als es darum geht, Schießen zu üben. Seine Reaktion, ein Satz: „Dirndl ich sag dir eines, wenn du Jägerin werden willst, gehört alles dazu.“ Der Blick von Sabine spricht Bände.



„Ich habe entdeckt, dass man als Frau, als Jägerin, am Besten fährt, wenn man mit etwas Gefühl in die Sache reingeht und, ich möchte fast sagen, wenn du ein wenig Demut gegenüber den Jägern zeigst.“  

Männerdomäne – zum Lipgloss eine Portion Demut

Das Kaisergebirge hebt sich stolz vom strahlend blauen Himmel ab. Aus der Ferne sind Kuhglocken zu hören. Sie lacht. „Voll kitschig eigentlich. Aber so schön.“ Ihr Gewehr liegt neben ihr. Die langen blonden Haare sind zusammengebunden. Auf den Nägeln ihrer Ringfinger glänzen jeweils drei Glitzersteine. Der Lack selbst, zurückhaltendes Creme. Dazu ein perfektes Augen-Make up. Sie ist eine der 1.355 Frauen in Tirol, die die Jagdprüfung haben. Eine Leidenschaft mit 91,6% Männeranteil. Wie es ist, als Frau unter all den Jägern? Ihre Augen blitzen belustigt. „Ich habe entdeckt, dass man als Jägerin, am Besten fährt, wenn man mit etwas Gefühl in die Sache reingeht und, ich möchte fast sagen, wenn du ein wenig Demut gegenüber den Jägern zeigst. Was gar nicht geht, wenn du mit den Männern mordsmäßig mitdiskutieren willst, wenn sie über die Jagd reden. Du musst den Mann ganz einfach als Mann behandeln. Ja und ich habe da jetzt auch kein Problem damit.“ Frauenweisheiten zwischen dem Standortwechsel zum nächsten Foto.

Ab in die Schule

 

Ihre Öffentlichkeitsarbeit für den Tiroler Jägerverband bringt ihr den endgültigen Respekt der Jäger. Seit zwölf Jahren besucht sie die Volksschulen im Bezirk, um den Kindern der 2. Klasse über die Jagd, das Wild und die Notwendigkeit eines Jägers zu erzählen. „Ich merke immer wieder, wie sehr sich die Kinder für die Natur begeistern können, aber genauso, wie wenig sie eigentlich von unserem Lebensraum wissen.“ Sabine strahlt. Ihre Augen glänzen. Mit den Händen gestikulierend erklärt sie, was sie alles mitnimmt. Von Abwurfstangen über Felle, Präparate bis hin zum Highlight, ihrem Rucksack. „Da dürfen die Kinder immer schauen, was ein Jäger alles dabei hat und natürlich selbst dank Hut, Lodenumhang, Fernglas und Jagdstock zum Jäger werden.“ 



„Im Großen und Ganzen ist es ein Innehalten und ein Genießen.“



Herausforderung Ruhe

Das Panorama könnte majestätischer nicht sein. Das Grillenkonzert gewinnt an Lautstärke. Einmal durch das Fernglas blicken, so die Anweisung für das Foto. Die Optik passt. Emotion pur. Einfach nur erhaben und edel, bis zu dem Moment, an dem Sabine am gegenüber liegenden Berghang Gämsen entdeckt. Ein kleiner Aufschrei. Die Haare fliegen. Begeisterung pur. Wenn man sie so sieht, glaubt man kaum, dass sie die Grundeigenschaft für einen Jäger mitbringt – ruhig sitzen. „Es gibt da so ein neumodisches Wort – Entschleunigung. Ich musste das auch erst wieder lernen in so einer schnelllebigen Zeit, wo jeder ständig erreichbar sein muss.“ Oft kommen ihr beim Beobachten gute Ideen, lässt sie den Tag Revue passieren. „Im Großen und Ganzen ist es ein Innehalten, ein Genießen, ob das die Luft ist, die Stimmung, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang. Ich mag es, wenn es neblig ist und regnet, du die Erde riechst und das Moos – ich bin einfach ein Naturmensch.“

Von rechts schallt mehrstimmig ein „Weidmannsheil“. Eine Gruppe von fünf Männern kommt vorbei. Man kennt sich, plaudert. Sabine ist anerkannt. Als Frau und als Jägerin. „Ich mag gar nicht sagen, dass die Jagd mein Hobby ist. Es ist eine Leidenschaft und genau das macht es so wertvoll.“ 


Das erste Mal

Auf dem Tisch neben der Hütte breitet Sabine das mitgebrachte Geschirrtuch aus. Tischtuch und Tellerersatz in einem. Etwas Stil muss schließlich auch hier heroben sein. Die Sennerin ist ihre Kühe einfangen. Der sehnsüchtig erwartete Guten-Morgen-Kaffee muss warten. Dafür packt Sabine ihre Schätze aus. Speck, Käse, Brot. Es wird wärmer. Mit ihrem Jagdmesser schneidet sie die erste Scheibe Speck herunter. „Echt scharf“, kommt es belustigt, gefolgt von lautem Lachen. Das Messer hat seine Spuren hinterlassen. Ein zehn Zentimeter langer Schnitt im Geschirrtuch. Plötzlich bricht ihr Lachen ab. Sabines Blick schweift über die Almwiesen. Von der einen Sekunde auf die andere wirkt sie nachdenklich. „Bei der Jagd geht es nicht um das Schießen, auch, wenn der gezielte Schuss dazu gehört. Mein erster Schuss war ein Rehbock. Das Gefühl dabei war wie bei jedem anderen Schuss danach. Es hat sich nichts verändert. Da ist immer noch die gleiche Achtung vor dem Tier. Ich bin immer noch gefühlsbetont.“ Sie ist sichtlich bewegt. Ihr Blick ungewohnt ernst. „Immerhin entnehme ich der Natur ein Lebewesen. Aber ich weiß, warum ich es tue. Und zu jedem Tier, das du erlegst, hast du eine Geschichte, nur für dich selbst.“ Das Kuhglockengeläute wird lauter. Sabine springt auf, zückt ihr Handy. „Ist das nicht lässig. Ein cooles Foto.“ Und da ist sie wieder diese Leidenschaft in Sabines Augen. Die Kühe folgen dem schmalen Weg in Richtung Alm. Mittendrin die Sennerin. 

 

Sechs Stunden, ein paar Schneeschuhe, zweimal die Woche

Das Revier von Sabine Gwirl ist am Wilden Kaiser. Jede freie Minute ist sie dort, um die Natur zu genießen. Im Winter gilt es drei Fütterungen zu bestücken. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der auch Jäger ist. „Viele glauben, wir füttern das Wild, um uns Trophäen heran zu züchten. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus.“ Früher bewegte sich das Wild bei der Futtersuche in unbesiedelte Tallagen. Bei der heutigen Siedlungsdichte unmöglich. Noch dazu dringt der Mensch nun auch im Winter immer mehr in den Lebensraum Bergwald ein. „Das ist kein Vorwurf. Das ist eine Tatsache.“ Das Problem. Im Winter fahren die Tiere den Stoffwechsel herunter, bewegen sich langsamer. Von Menschen überrascht zu werden, bedeutet Stress verbunden mit Angst; und das ist im Winter nicht gut. Deshalb lenken die Jäger die Tiere mit den Fütterungen an Stellen, wo sie ungestört Futter aufnehmen können. Für die Jägerin harte, aber schöne und notwendige Arbeit, die sogar gesetzlich geregelt ist. Bei geschlossener Schneedecke muss Rotwild gefüttert werden. Zweimal die Woche durch den Schnee. Kondition und Schneeschuhe sind gefragt.

„Ich bin dankbar, dass ich jagen gehen kann und nehme das sehr ernst. Wenn du siehst wie beeindruckend die Natur ist, das vergisst du nicht mehr, das bleibt.“ Und ihre Augen haben schon wieder diesen speziellen Glanz.



 

 

 

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