Die Sache mit dem TUN

 

 

Vom übergewichtigen Kind zum Ironman - Coachingtipps fürs Leben 

 

Hubert Rattin ist Ernährungsberater, Coach, Trainer. Er hat fünf Ironmen erfolgreich absolviert, Extremsportereignisse wie 24 Stunden Radfahren hinter sich gebracht. Ganz anders ist die Situation als er zwölf ist. Er ist stark übergewichtig, schafft es nicht abzunehmen. Ein einziges Ereignis, legt den Schalter in seinem Kopf um. Er halbiert sein Gewicht in einem Jahr. Damals war es ein glücklicher Zufall. Heute weiß er, aufgrund seiner Erfahrung und seines Fachwissens, woran es liegt, dass man erfolgreich abnimmt oder auch in anderen Bereichen durchstartet.

 

 

Es passierte über Nacht. Nicht, dass er es vorher nicht versucht hätte. Doch er scheitert regelmäßig. Hubert Rattin trinkt einen Schluck Wasser, während er von dem Wendepunkt seines Lebens erzählt. Er war zwölf. 150 Zentimeter groß. 80 Kilo schwer. Übergewichtig. Auf dem besten Weg, zuckerkrank zu werden. Sein Hauptnahrungsmittel: täglich drei große Tafeln Schokolade und drei Liter Milch. „Nach unserer Übersiedlung vom Brixental nach Kufstein habe ich nur noch gegessen, keinen Sport mehr betrieben. Jeder Versuch abzunehmen scheitert, bis zu dieser einen Nacht.“

 

3,8 - 180 - 42,195

Acht Jahre später. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch ein Marathon, 42,195 Kilometer Laufen. Der Ironman. Hubert Rattin will keinesfalls mehr zunehmen, startet mit dem Radfahren über die olympische Distanz, wechselt zum Triathlon, um schließlich beim Ironman zu landen. Er trainiert 30 Stunden die Woche. Um sechs Uhr früh beginnt sein Tag mit 20 Kilometern laufen, am Abend schwingt er sich nach seiner Arbeit als Trainer im Fitnessstudio für drei Stunden aufs Fahrrad.

 

 

Sinn oder kein Sinn

Hubert Rattin sitzt entspannt im Café. Seine dicke Vergangenheit und seine Ironman-Zeit sind Geschichte. Der Kufsteiner ist Ernährungsberater, Coach, Trainer und versteht, was damals der Grund für sein nicht Abnehmen war, wieso manche ihr Ziel erreichen andere nicht. „Letztlich ist alles eine Sache der Sinnfrage. Solange man selbst keinen wirklichen Sinn in der Erreichung des Zieles sieht, bringt man nicht die notwendige Energie dafür auf. „Oft kommt man gar nicht erst ins Tun.“ Das Grundproblem der heutigen Gesellschaft wie es Rattin sieht. Alles wird durchdacht, bis ins Letzte geplant. Um ans Ziel zu kommen, ganz egal worum es geht, ist aber etwas anderes entscheidend. Das Tun. Und in dieses Tun kommt man erst, wenn das gesteckte Ziel für einen selbst Sinn macht. „Deshalb sollte sich jeder nach dem Sinn seiner Ziele fragen. Wer von sich sagt, er möchte gerne einen anderen Job, sich aber nirgends bewirbt, ist genauso in der ´ich möchte Phase´ wie jemand der gerne schlank wäre, aber keinen Sport betreiben will. Aus dem Wunsch, dem ´ich möchte´, muss ein ´ich will´ werden. Ansonsten entsteht aus derartigen Pseudozielen, die man gar nicht erreichen kann, nur Frustration, die einen bremst.“  

 

 

 

 

 

Sinnverlust

Welche Bedeutung der Sinn, den man selbst in einer Handlung sieht, für den eigenen Antrieb hat, merkt Rattin nach dem fünften Ironman. „Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich kein Gesellschaftsleben mehr habe und mit dieser Erkenntnis verlor der Ironman seinen Sinn. Zudem habe ich durch meine Ausbildung verstanden, was ich in puncto Ernährung und Sport bisher alles falsch gemacht hatte, dass die Angst wieder derart zuzunehmen, übertrieben war. Der Antrieb für das Training war weg.“ Und doch war seine Ironman-Zeit rückblickend eine Zeit, die er nicht missen möchten, denn noch heute zehrt er davon.

 

 

 

Das Grundproblem der heutigen Gesellschaft:

Alles wird durchdacht,

bis ins letzte Detail geplant.“

 

 


Hindernisse im Tal

Die Füsse laufen nur noch automatisch. Alles schmerzt. Rund zwanzig Kilometer sind noch zu bewältigen. Jeder Muskel schreit danach aufzuhören. „Dieser Punkt, kam bei jedem Ironman. Immer nach der Hälfte des Marathons. Du bist physisch und psychisch ganz unten, weißt nicht mehr weiter. Das ist er Moment, in dem viele aufgeben. Nicht nur im Sport, auch im Leben.“ Die Kunst besteht darin, weiterzumachen, im Hier und Jetzt leben, das Tal zu überwinden. „Du kannst anhalten, dir einen Überblick verschaffen. Aber ins Ziel gibt es nur eine Richtung. Nach vorne. Schritt für Schritt. Aber das schaffst du wie beim ins Tun kommen nur, wenn du einen Sinn in dem Ziel siehst.“ Hubert Rattin überwindet dieses Tal bei seinen Wettkämpfen immer wieder. „Diesen Kampfgeist nimmst du mit ins private Leben und in die Arbeit. Sofort aufgeben, gibt es bei einem Sportler nicht. Ein Sportler ist es gewohnt, über seine Grenzen zu gehen.“ Dafür muss aber niemand einen Ironman absolvieren, so Rattin, entscheidend ist, über diesen Punkt des Aufgeben-Wollens immer wieder hinauszugehen.“  

 

 

Du kannst anhalten, dir einen Überblick verschaffen.

Aber ins Ziel gibt es nur einen Richtung. 

Nach vorne. 

 

Schritt für Schritt."

 

 

 

Der halbe Rattin

„Was viele oft gar nicht bemerken ist, dass sie sich selbst gleich nach dem Aufwachen in ihrem Tun blockieren.“ Es sind die Gedanken in den ersten wachen Minuten, die über den Tag entscheiden. „Die meisten von uns öffnen morgens ihre Augen und denken an die Dinge, vor denen ihnen an dem Tag graut. Und dieses Grauen begleitet einen unterbewusst den ganzen Tag. Dass man sich so den Tag verdirbt, sich selbst bremst, bedenken die wenigsten.“ Viel zielführender wäre es, sich auf das zu besinnen, worauf man sich freut und wenn schon ein unerfreuliche Punkt dabei ist, sollte man etwas Schönes nach diesem Termin planen, sich darauf freuen.

Sich auf die positiven Punkte des Tages fokussieren, ist ein Teil des „aktiven Erwachens“, wie es Hubert Rattin nennt. Das für ihn optimale Programm zur Gesunderhaltung. „Den Körper dehnen, ein paar Kräftigungsübungen mit dem eigenen Körpergewicht und die Suche nach dem Schönen, so wird man in wenigen Minuten aktiv munter und fit für den Tag. Wenn man sich dann noch über den Sinn seiner Ziele bewusst ist, hält einen nichts mehr vom Tun ab.“ Auch Hubert Rattin kommt damals als Jugendlicher ins Tun, stellt seine Ernährung um, beginnt zu sporteln, nimmt 40 Kilo ab, halbiert sein Gewicht in einem Jahr. „Aus dem ´ich möchte Abnehmen´ wurde ein ´ich will´. Aus dem Wunsch ein Ziel.“ Um in das Tun, in die „ich will Phase“ zu kommen, braucht es oft auch einen Auslöser. „So wie bei mir dieser Film in der Nacht, die mein Leben verändert hat.“

 

 

Rocky, der Auslöser

Er kann sich noch genau an dieses Gefühl erinnern, das plötzlich in ihm hochkam. Es ist Abend. Der zwölfjährige Hubert Rattin sitzt vor dem Fernseher. Rocky IV läuft. Eher zufällig. Boxen ist nicht seines. Von dem Film hat er zuvor nichts gehört. Doch mit jeder Minute fasziniert ihn die Figur Rocky mehr. „Zu sehen, dass jemand, der eigentlich keine Chance hat, es doch schafft, nur aufgrund seines Willens, weil er ein Ziel hat. Dass er erreicht, was er sich vornimmt, obwohl alles dagegen spricht und es ihm keiner zutraut, das hat meinen Schalter umgelegt. Das Abnehmen müssen, wurde zum ´ich will´.“

 

    Foto: VANMEY PHOTOGRAPHY

Text: Adriane Gamper

erschienen in: kufsteinerin - das Magazin 

 

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Moderatorin Adriane Gamper, Foto VANMEY PHOTOGRAPHIE
Foto: VANMEY PHOTOGRAPHIE

 

 

 

 

 


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